Hammelburg. Philip läuft einfach los – ohne nach rechts oder links zu blicken, direkt über die Straße auf den Mann zu, der soeben das Zeichen zum Start gegeben hat. Klar, denn er möchte der Schnellste beim Wettlauf sein. Neben ihm rennt seine Freundin Sarah, weitere Kinder aus der Kindergartengruppe folgen den Beiden.
Die anwesenden Eltern sehen ihren Kindern mit erstaunten Blicken nach. Verblüfft stellt Philips Vater fest, dass sein Sohn gar nicht wahrnimmt, dass er eine Straße überquert. Eine gefährliche, nicht steuerbare Situation – würde sich diese Szene im realen Straßenverkehr abspielen.
Zum Glück aber haben Mitarbeiter der Verkehrswacht Hammelburg zuvor die ruhige Seitenstraße abgesperrt und sichern den Verkehrsbereich auch persönlich ab. Sie wollen den Eltern deutlich machen, wie sich ihre Kinder ohne Begleitung eines Erwachsenen im realen Verkehrsraum verhalten.
Das Handeln der Kindergartenkinder ist erklärbar: Erst im Alter von sechs Jahren stellt sich bei Kindern ein Gefahrenbewusstsein ein, dann bildet sich ein vorausschauendes, einschätzendes Denken. Vorher, im Kindergartenalter, erkennen Kinder gefährliche Situationen erst, wenn sie bereits eingetreten sind. Ausreichend Zeit zum Handeln bleibt dann meist nicht mehr.
Bis zum Alter von sieben Jahren lassen sich Kinder in ihrem Handeln stark von Vorstellungen und Gefühlen leiten. Auch nehmen Kinder im Vorschulalter lediglich Eindrücke aus ihrem unmittelbaren Umfeld auf, ohne sie rational zu hinterfragen oder zu werten. Sie sind leicht abzulenken und unterscheiden Wesentliches nicht von Unwesentlichem. Erst nach und nach entwickeln sie die Fähigkeit, wichtige und unwichtige Situationsmerkmale zu unterscheiden, sich auf die entscheidenden Details zu konzentrieren und die unwesentlichen zu ignorieren.
Besonders im Straßenverkehr kann diese Art der kindlichen Weltsicht schnell zu gefährlichen Situationen führen: Ein Hund bellt auf der gegenüberliegenden Straßenseite, der Ball rollt über die Bordsteinkante – es gibt unzählige Situationen, von denen sich Kinder ablenken lassen und nicht mehr sehen, dass sich ein Auto oder ein Radfahrer nähert.
Das bedeutet in letzter Konsequenz, dass Kinder im Vorschulalter keinesfalls für eine selbstständige, gefahrlose Teilnahme im Straßenverkehr gerüstet sind – die notwendige Aufmerksamkeit können sie noch nicht bringen. Wahrnehmung und Konzentration sind aber wichtige Voraussetzungen für ein sicheres Verkehrsverhalten.
Quelle: Deutsche Verkehrswacht